Ansichten und Einsichten von Mensch und Hund (6)
Wir: Abwechslungsreiche Hunderoutine
In den sozialen Netzwerken ist es ja heute möglich einen bestimmten Beziehungsstatus anzugeben, damit die User wissen, worauf sie sich einlassen; ob sie sich Hoffnungen machen können, oder wie man eben gerade gesellschaftlich aufgestellt ist. Da gibt es Begriffe wie: Freundschaft plus, kompliziert, suchend, offene Beziehung, vergeben bzw. in fester Beziehung, Single usw. Wären wir dort unterwegs und wollten uns entsprechend „outen“, stünde bei uns aller Wahrscheinlichkeit jetzt: Wir leben in einer festen Beziehung – mit Sam!
Was will ich damit sagen?
Seitdem Sam bei uns ist, sind wir bis auf ganz wenige Ausnahmen nur noch zu dritt zu haben. Das ist in der Regel auch kein Problem, denn wir haben ja inzwischen unseren Alltag komplett Hunde-kompatibel organisiert. Dennoch gibt es auch da hin und wieder Situationen, für die man dann ganz spezielle Lösungen finden muss. Zum Beispiel, wenn man dem armen Sammy eine lange Flugreise, eingesperrt in einer Hundebox oder andere große Unannehmlichkeiten, ersparen will. Nicht immer steht ja sein Deluxe Feriendomizil in Berlin zur Verfügung, und dann brauchts eben eine wirklich gute adäquate Alternative.
Vor einiger Zeit hatten wir so einen Fall!
Ein längerer Flug stand an, die Familie war komplett unterwegs und Sammy brauchte eine passende Bleibe.
Ganz in der Nähe bot sich eine kleine Hundepension an und, langfristig wie wir planen, haben wir Sam dort schon frühzeitig vorgestellt. Verschiedene Probetermine wahrgenommen, damit er die Umgebung und die wechselnden Betreuer kennenlernt und sich nicht fremd vorkommt. Alles bestens!
Man fand ihn, wen wunderts, entzückend, und er schien auch ganz zufrieden. Dann kurz vor dem geplanten längeren Aufenthalt erklärte man uns überraschend und recht unverblümt, dass man einen „intakten Rüden“, wie Sammy es nun mal sei, doch nicht aufnehmen könne. Er markiert schließlich, und das bedeutet zu viel Aufwand. Na bravo!!!
„Intakter Rüde“. Diese Bezeichnung war uns bisher auch noch nicht untergekommen. Klar, Sammy ist nicht kastriert und auch nicht mittels eines chemischen Chips sexuell heruntergedimmt, von daher also unversehrt oder eben intakt. Dass das quasi eine Behinderung ist, wer kommt denn darauf?
Ich geriet dann zunehmend in Panik, als ich merkte, dass es auch sonst in der Nähe wirklich keine einzige Hundepension gab, die solche naturbelassenen Hunde aufnehmen wollte. Erst fast 150 km entfernt fand ich ein entsprechend tolerantes Hundehotel, dessen Betreiber kein Problem mit unserem geschlechtskompletten Sam hatten. Was also tut man nicht alles, um es dem Hund und dem eigenen Gewissen recht zu machen? Da ist so eine fünf Sterne Hundeherberge nur recht und (nicht) billig.
Auch hier gab es vorab einen zweitägigen Probeaufenthalt.
Also ich muss schon sagen: Hundeluxus pur!
Sam bekam seine eigene kleine Suite mit einem dazugehörigen Garten. Als upgrade wurde ihm dann für die Dauer seines Aufenthaltes noch eine aparte Hundedame namens Emma zugeteilt.
Man(n) könnte fast neidisch werden und fragt sich, welcher Hund möchte da nicht „intakter Rüde“ sein?
Doch auch bei Hunden liegen Glück und Leid eng beieinander, denn kaum zurück von seinem amourösen Wochenende hatte unser Sam erheblichen Liebeskummer. Emma fehlte ihm, und trotz aller Mühen konnten wir ihm nicht sein, was Emma ihm war. Das war für alle Beteiligten hart!
Den Schatten von seiner armen Hundeseele nahm ihm Gott sei Dank recht bald die Ankunft von Lupo, seinem kleinen Bruder und unserem zweiten Enkelhund!
Was für eine Freude auf allen Seiten. Lupo wohnt in Berlin bei unserer Tochter, und wann immer die beiden Brüder aufeinandertreffen, ist „der Hund los“.
Da wird sich nichts geschenkt. Man spielt, rangelt, tobt, schmust, streitet und klaut sich die Spielsachen ohne Rücksicht auf Verluste.
Schon früh fiel uns, den inzwischen sensibilisierten Hundehaltern, auf, die beiden sind ein tolles Team und ein überaus fotogenes Duo außerdem. Daraus müsste man was machen können.
Es folgten unzählige Fotostrecken an den verschiedensten Orten und in allen Hundelagen. Sam und Lupo am Meer, beide im Strandkorb, unter der Trockenhaube beim Friseur, auf Entdeckungstour durch Berlin, gemeinsam beim Hundepicknick, beide als Werbeträger für Sportschuhe, ausgehfein mit Fliege oder Krawatte – natürlich im Partnerlook – usw.
Auf Instagram wurde extra ein eigener account unter dem treffenden Namen „the royal shiba brothers“ eingerichtet, und die stetig wachsende Fangemeinde kann nun fellnah am aufregenden Hundeleben der beiden teilnehmen.
Wir als stolze Hundehalter sind uns natürlich nicht zu schade, die beiden nach Kräften zu managen, wissen wir doch genau, der ganz große Durchbruch wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Bis es soweit ist, darf sowohl Sam hier bei uns, als sicher auch Lupo in Berlin ein hundsnormales Leben führen. Dazu gehört aber nach wie vor eine harte Ausbildung, Rückruf, Leinenführigkeit, mentales Training, soziales Verhalten, um nur ein paar Stichworte zu nennen. Sam sieht die Dringlichkeit vielleicht nicht immer ein, aber wir wissen, es gibt auch ein Leben nach dem Rampenlicht, und darauf sollte auch ein Hund vorbereitet sein. Schließlich hat es sich schon immer bewährt eine gute Ausbildung zu haben.
Glücklicher Hund, der solch weitsichtige Halter hat, und stolze Halter, die solch einen Hund haben, oder um es kurz zu machen:
Wir leben in einer festen Beziehung mit Sam! ( jeden Tag ein bisschen mehr)
SAM: „Hunde, wie die Zeit vergeht“
Jetzt muss ich mich erst einmal kräftig hinterm Ohr kratzen und überlegen, was seit meinem letzten Bericht „zur aktuellen Hundelage“ eigentlich so alles passiert ist?
Für uns Fellnasen tickt die Uhr ja anders, die Zeit vergeht viel schneller, und was passiert, nehmen wir eben auch ganz anders wahr als die Menschen. Das macht das Zusammenleben manchmal etwas kompliziert.
Aber damit hier keine Missverständnisse aufkommen, will ich vorab schon mal sagen, mit Herrchen und Frauchen läuft es echt gut, die sind schon okay und sorgen dafür, dass ich mich bei ihnen wohlfühle.
Ich darf auch überall mit hin, sei es zum Einkaufen, zu Freunden, wenn sie essen gehen, in den Urlaub fahren, oder wenn sie mal wieder über eine Baustelle stapfen.
Nur vor ein paar Monaten, da merkte ich, dass irgendetwas in der Luft lag.
Ich war ja schon ein paar Mal in so einem „Hundegarten“, wo auch ganz viele andere Fellnasen waren. Das gefiel mir immer supergut dort, hab mich allerdings gefragt, warum machen die das? Aber letztlich war es mir auch egal, Hauptsache ich hatte Spaß! Und weil das da so geil war, hab ich natürlich auch überall meine Marke gesetzt. Schließlich müssen die anderen ja wissen: „Sam was in town.“
Komisch, der Hundegartenmutter gefiel das wohl gar nicht, und ich durfte ganz plötzlich nicht mehr kommen. Das war dann so ein typisches Beispiel, wo Fellnasen und Menschen ganz normale Dinge komplett anders bewerten.
Frauchen war anschließend auch total neben der Kappe, hat ständig telefoniert und ich hab immer nur was von intaktem Rüden, nicht kastriert und auch keinen Chip usw. gehört. Kein Hundeschimmer, was daran so aufregend war.
Dann eines Tages ging es mit dem Auto wer weiß wohin, auf jeden Fall war es ziemlich weit. Da war ein tolles Haus mit vielen kleinen Wohnungen nur für Hunde. Ich war ganz high, so herrlich hat es da gerochen, und dann bekam ich sogar auch so ein Appartement mit eigenem Garten dabei. Ich dachte, ich spinne. Meine Decke und meine Spielsachen waren auch da, und während ich alles erschnüffelt und erkundet hab, fiel mit gar nicht auf, dass Herrchen und Frauchen plötzlich weg waren. Ich fing gerade an sie zu vermissen, als die Tür aufging …und was soll ich sagen: Der Hundeblitz traf mich und zwar mit voller Wucht! Da stand nämlich Emma!
Was für eine Rasse Frau! Was für ein Körper, so sexy, so hübsch, so ein lockiges weiches Fell und so ein betörender Duft!!! Ich konnte meine Hundenase gar nicht mehr davon wegkriegen, und in meinem Bauch flatterten die Schmetterlinge, dass mein ganzes Fell vibrierte.
Emma und ich, das war Hundeliebe auf den ersten Blick, und für die nächsten zwei Tage hing unser Fellnasenhimmel voller Köstlichkeiten.
Wir haben so toll gespielt, das Fressen geteilt, uns gegenseitig die Ohren sauber geschleckt, und nachts lagen wir dann zusammen auf der Decke und haben gekuschelt. Mehr will ich dazu nicht sagen, ich bekomm ja jetzt noch Herzrasen, wenn ich nur daran denke.
So schnell, wie das große Glück kam, so flüchtig war es auch. Herrchen und Frauchen holten mich ab, und Emma verschwand aus meinem Leben. Kein Mensch kann sich vorstellen, was das für ein Hundeschmerz war.
Mir gings echt schlecht! Hatte keinen Hunger und auch irgendwie zu gar nichts Lust. Am liebsten lag ich auf meiner Decke und hab an Emma gedacht.
Die beiden Alten haben großes Programm geschoben – tolles Essen, neue Spielsachen usw. – aber das interessierte mich alles nicht. Ich wollte nur Emma!
Gerade als ich so richtig in die Depression abrutschte, passierte aber plötzlich etwas sehr Schönes, und mein Hundeleben nahm wieder Fahrt auf.
Lupo kam! Und Lupo ist mein ganz richtiger kleiner Bruder. Meine Tante ist sein Frauchen, und als sie zum allerersten Mal mit ihm hier war, bei meiner Pfote, da hätte mir keiner sagen müssen, dass wir blutsverwandt sind. So etwas erschnüffelt meine Hundenase sofort. Ganz klein und flauschig war der und ein bisschen ängstlich, aber so unsagbar süß, dass ich ihn gleich mal gründlich abgeschleckt habe. Das gefiel ihm, und ich dachte sofort, ich müsste es unbedingt Emma erzählen. Ach, Emma…
Ein paar Wochen später, als wir uns wieder getroffen haben, konnte man mit dem Kleinen schon mehr anfangen. Wie verrückt haben wir getobt und gespielt. Den Alten wars schon ganz unheimlich, als die Teppiche verrutschten, die Spielsachen nur so durch die Gegend flogen und im Eifer des Gefechts auch mal der Wassernapf umfiel.
Meine Schnauze, der Lupo ist aber auch eine Granate! Der feuert aus allen Richtungen. Mal versteckt er meine Spielsachen, dann frisst er meinen Napf leer, manchmal beißt er mich in die Backe, oder er zieht mich am Schwanz. Der ist immer und überall gleichzeitig, und wenn ich mal ein bisschen Ruhe brauche, muss ich mich gut verstecken, sonst findet er mich und die Rangelei geht weiter.
Irgendwann haben die Alten festgestellt, dass jeder von uns ja bildschön ist, was ja auch stimmt, aber, dass wir zwei zusammen ja nochmal ganz anders rüberkommen.
Ach herrje! Jetzt machen sie bei jeder Gelegenheit Fotos von uns im Doppelpack und in allen möglichen Positionen, und immer sollen wir dabei schön stillsitzen und freundlich in die Kamera gucken. Manchmal bekommen wir auch besondere Sachen angezogen, oder wir müssen an den merkwürdigsten Orten posieren. Damit das funktioniert, treiben unsere Leutchen allerhand Aufwand. Einer hat die Kamera, der nächste macht irgendwelche Verrenkungen, damit wir aufmerksam sind, und der Dritte verteilt, wenn es denn geklappt hat, irgendwelche Leckerchen.
Lupo und ich kennen das Prozedere inzwischen, und wir wissen genau, wann man sich paddelig oder stur anstellen muss, um noch ein bisschen mehr rauszuholen. Das sagen wir natürlich nicht, schließlich sind wir schon Profis und pflegen unsere Allüren.
Wer uns also vermarkten will, muss das akzeptieren und damit umgehen. Das verlangt der ganz normale Hundstolz! Wauwau.