Ansichten und Einsichten von Mensch und Hund (3)
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Wir: „Hundeleben“
Inzwischen ist Sam seit fast drei Monaten bei uns. In dieser Zeit ist viel geschehen, und man kann guten Gewissens behaupten, dass die Hundeintegration hier auf einem sehr aussichtsreichen Weg ist. Wie heißt es bei den Politikern so schön? Wir haben eine Reihe von Projekten angestoßen, und bei einigen kann man bereits vielversprechende Entwicklungen beobachten. So auch hier.
Stichwort Hundeschule. Sam geht jetzt zur Welpenschule und wird Ende des Monats versetzt, sprich er kommt dann in die Junghundeklasse. Dabei war es zunächst gar nicht so einfach überhaupt die richtige Schule für ihn zu finden. Mein Anruf bei der Hundeschule mit dem vielversprechenden Namen „Elitehunde“ verlief etwa wie folgt: Der professionelle Hundetrainer fragt mich nach der Rasse und ob Sam unser erster Hund sei. „Es ist ein Shiba Inu und ja, es ist unser erster Hund“, gebe ich wahrheitsgetreu Auskunft. Daraufhin herrscht Schweigen. ‚Sind sie noch da?‘ frage ich. ‚Hm‘ kommt dann ‚ich hoffe sie haben sich das sehr gut überlegt. Diese Hunde sind schon ziemlich eigen und für Leute, die noch nie einen Hund hatten, absolut nicht zu empfehlen. Sie sind, wenn überhaupt, schwer zu erziehen. Also machen sie sich keine Hoffnungen, dass ihnen der Hund jemals gehorchen wird.‘ Ich schlucke und staune und erwidere dann zaghaft, dass wir ja aus diesem Grund die Erfahrung und Anleitung einer Hundeschule in Anspruch nehmen möchten. Man könne ja mal einen Versuch machen, höre ich, allerdings habe die Erfahrung gezeigt, dass Shibas nicht unbedingt kommunikativ seien und das Training glatt verweigern, sobald ihnen die Schnauze eines anderen Hundes oder die des Trainers nicht passt. Ein wirklicher Lernerfolg sei mehr als fraglich. Spätestens da denke ich, die Rasse hat vermutlich Charakter, spielt nicht mit jeder Töle und erkennt, wenn der professionelle Hundetrainer eine Flachpfeife ist. Wir suchen und finden schließlich eine andere Hundeschule mit weniger hochtrabendem Namen, dafür mit sehr kompetenten und netten Trainern. Geht doch!
In der ersten Stunde dort ist Sam noch etwas vorsichtig, aber schon eine Woche später gibt er den Draufgänger und mischt den Laden richtig auf. Von wegen wenig kommunikativ und lernresistent! Bei der Hundetrainerin absolviert er mustergültig alle Übungen, schnappt sich zur Belohnung sein Leckerli und schaut dann sein Herrchen aufmunternd an nach dem Motto:‘ wenn es jetzt bei dir nicht klappt, an mir liegt es nicht!‘
Sam ist entgegen anderer Meinungen überaus kontaktfreudig und gesellig. Aufgeschlossen und freudig geht bzw. hüpft er auf alles und jeden los, egal wie groß sein Gegenüber auch sein mag. Berührungsängste Menschen oder anderen Hunden gegenüber kennt er nicht, nur bei Pferden ist er (noch) ein wenig zurückhaltend. Ich staune und schwitze bei solchen Zusammenkünften gleichzeitig, denn ich bin fremden Hunden gegenüber noch lange nicht so aufgeschlossen wie Sam und gottfroh, dass es den Leinenzwang gibt. Sam kennt inzwischen schon eine ganze Reihe anderer Hunde und sorgt dafür, dass auch wir Bekanntschaften machen, die uns früher nicht mal im Traum eingefallen wären. Da ist z. b. ‚Emil‘, ein recht großer weißer Hund mit einer ziemlich langen Nase. Den mag er sehr, kein Wunder, denn Emil lässt in stoischer Ruhe alle Freudensprünge von Sam über sich ergehen. Anders ist es mit ‚Emma‘, einer kleine Mops Dame. Erstens kläfft sie ziemlich schrill, sobald Sam in ihre Nähe kommt, und zweitens ist sie potthässlich. Das hat der schlaue Hund sofort erkannt und wechselt alsbald die Straßenseite. Bei ‚Tristan‘, einem betagten Dackel vom oberen Ende der Straße zeigt er sich etwas rücksichtsvoller, was aber nicht bedeutet, dass er ihm nicht blitzschnell das Leckerli vor der Schnauze wegschnappt, was sein Frauchen sofort mit einem vorwurfsvollen Blick zu mir quittiert. Aber auch ein Junghund muss halt sehen, wo er bleibt. ‚Nana‘ ist ein flauschiger Bettvorleger auf vier Pfoten, gut doppelt so groß wie Sam. Sie ist etwas verstört, wenn Sammy ihr seine freudigen Avancen macht. Ihr Herrchen scheint da weniger irritiert zu sein. Er findet, die beiden wären ein tolles Paar, und sobald das Wetter besser wäre, sollten wir sie ohne Leine zusammen auf der Wiese spielen lassen. Das wiederum irritiert mich …
Neulich haben wir Sam mit in die Stadt genommen auf den Wochenmarkt. Beim ersten Mal war er noch etwas vorsichtig und hat sich alles aus sicherer Entfernung auf Herrchens Arm angesehen. Man fand ihn allenthalben süß und knuffig und ob der von Steif wäre, wurden wir gefragt. Ach das geht einem ja runter wie Softeis! Inzwischen ist die Ängstlichkeit verflogen, und er geht forsch an der Leine mit uns von Stand zu Stand. In unbeobachteten Momenten kann es allerdings passieren, dass er seine Nase in die Einkaufstasche anderer Leute steckt. Könnte ja was Interessantes drin sein… Dumm ist er nicht!
Das stellt er auch unter Beweis, wenn er die Nachbarn hier reihenweise um seine Pfote wickelt. Man hat den Eindruck, auch die haben jetzt in jeder Manteltasche eine Auswahl an Leckerlis, für den Fall, dass Sam ihren Weg kreuzt. Hat man sich früher noch über das Laub auf der Straße, den Garten, irgendwelchen Klatsch oder über das Leben an sich unterhalten, so ist jetzt Sam das Thema. Als Ausdruck seiner Hochachtung lässt er es sich dann auch nicht nehmen, ihnen freudig in den Vorgarten oder an den Zaun zu pieseln, was alle komischerweise ganz entzückend finden.
Gerne treibt er allerdings auch seine Spielchen mit uns, testet aus, wie er uns überlisten kann und freut sich, wenn es ihm gelingt. So versteckt er sich im Garten, lässt uns rufen, betteln, flehen, lässt sich mit allem Möglichen zur Haustür locken, nur um im letzten Augenblick wieder auszubüxen und die Jagd aufs Neue zu beginnen. Unser aufmerksamer Nachbar, der das Spiel amüsiert von seinem Balkon aus beobachtet, stellt dazu fest:
Wenn man Euch und den Hund so sieht, bekommt der Begriff „Hundeleben“ eine ganz neue Bedeutung!
Recht hat er!
Sam: „Hundejahre sind keine Herrchenjahre“
Wenn ich oben bei Herrchen unter dem Schreibtisch liege und so über mein Hundeleben sinniere, stelle ich fest, so übel habe ich es gar nicht getroffen. Klar hat jeder Hund Träume und Wünsche, die sich nicht erfüllen, aber ich sags mal so: ‚Das Glück ist mit den Tüchtigen‘, das gilt auch für Hunde, und ich finde, ich habe da einen ganz guten Riecher.
In den paar Monaten hier habe ich schon eine Menge erreicht. Man könnte auch sagen, ich habe den Laden ganz schön aufgemischt. Herrchen und Frauchen werden zunehmend lockerer, und dank meiner Hilfe lernen sie jetzt immer neue Leute und andere Hunde kennen. Frauchen putzt inzwischen auch nicht mehr so fanatisch hinter mir her wie am Anfang, und Herrchen ist es mittlerweile fast schon egal, wenn ich an seinen Schnürsenkeln lutsche. Die Teppichfransen werden kaum noch gekämmt, und wenn doch, verwuschle ich sie eh gleich wieder; und dass überall mein Spielzeug herumliegt, so what, zur Gemütlichkeit gehört halt auch immer etwas Chaos. Die beiden lassen mich jetzt auch allein durchs ganze Haus stromern, ohne dauernd zu kontrollieren, was ich mache, denn das Treppensteigen hat mir mein älterer Shiba Kumpel Foxy beigebracht, der neulich hier war. Nun kann ich mich überall verstecken, wenn die Alten mich suchen. Das riecht dann schon ein wenig nach der großen Freiheit, von der jeder Hund träumt, und es fühlt sich so absolut hundegeil an.
Zudem gehe ich mit Herrchen zusammen zur Junghundeschule. Das ist ein Spaß! Welpenschule war ja Kindergarten, aber das hier ist schon eine andere Nummer. Die Trainerin dort steht wohl total auf mich, jedenfalls darf ich immer mit ihr zusammen vormachen, was geübt werden soll. Da streng ich mich natürlich an und mache alles ganz perfekt. Ich finde sie so schön, wenn sie lacht und sich freut, außerdem bekomme ich tolle Leckerlis von ihr. Wenn Herrchen anschließend mit mir üben soll, stell ich mich ein bisschen doof an. Er ist dann etwas hilflos, was selten genug vorkommt und weshalb man es gleich doppelt genießen muss. Ich hab auf jeden Fall meinen Spaß dabei!
Ich zeige meinen Leuten auch, wie toll es ist, andere Menschen und ihre Hunde kennenzulernen. Nicht einfach nur ein knappes ‚guten Morgen‘ murmeln, und jeder geht verdrießlich seiner Wege. Man kann ja auch mal stehen bleiben und sich etwas beschnuppern. Da merkt man dann vielleicht, dass der eine oder andere zwar blöd aussieht, aber ganz gut riecht und super nett ist. So z. B. die polnische Familie am Ende der Straße. Soll keiner glauben, Herrchen und Frauchen hätten jemals freiwillig ein Wort mit denen gewechselt. Nicht weil sie die nicht mögen, aber man ist hier eben vornehm zurückhaltend. Nicht so ich! Ich hab denen jeden Tag in den Vorgarten gepinkelt, das fanden die total toll. Jetzt stehen sie manchmal schon hinter der Tür, und wenn ich komme, wird die ganze Familie zusammengetrommelt, und alle freuen sich, wenn ich dann noch eine Pinkelzugabe gebe. Habe auch schon ein Nikolausgeschenk von denen bekommen – Leckerlis und Spielzeug, und Frauchen wurde zum Kaffee eingeladen. Deutsch-Polnische Freundschaft sag ich da nur. Das wäre ohne mich nie passiert!
Nicht so spaßig war, dass ich neulich mal wieder zur Tierärztin musste. Ich hatte „Magen- Darm“ und mir war echt hundeelend! Aber die Frau Doktor war super nett. Ganz lieb und zärtlich hat sie mich gestreichelt und wusste sofort, wo meine erogenen Zonen sind. Da hab ich ihr auch die Spritze verziehen, die sie mir gegeben hat. Jetzt bekomme ich ein besonderes Futter und Tabletten, die noch besser schmecken als Leckerlis. Ich freu mich fast schon auf den nächsten Infekt.
Meine Hundefreunde sehe ich jeden Tag beim Gassigehen. Da bin ich immer ganz aus dem Häuschen vor Freude, und ich würde auch furchtbar gern mal länger mit dem einen oder anderen spielen, aber diese Menschen haben ja nie wirklich Zeit. Man könnte ja mal ein come together hier im Garten veranstalten, so mit allen! Das wäre der Hit! Hundeparty zwischen Buchsbaumhecke, Rhodos, Rosen und dem Rasen. …Okay, bis es soweit ist, müssen wohl noch einige Vermittlungen auf den (Hunde)Weg gebracht werden.
Neulich waren wir mal wieder mit dem Auto unterwegs. Das ist immer ein bisschen spooky, denn man weiß nie so recht, wohin das führt. Und richtig, das Auto hielt auf einem Parkplatz, und die beiden sind einfach ausgestiegen, und weg waren sie. Das fand ich gar nicht prickelnd. Ich habe jetzt zwar eine neue Hundedecke auf der Rückbank, aber was hilft das, wenn die zwei abhauen und ich allein im Auto bleibe? Zum Glück hat es nicht so lange gedauert, bis sie wiederkamen, aber das weiß man ja vorher nicht. Und dann haben in der Zwischenzeit auch noch alle möglichen Leute durch die Scheibe geguckt. Das war mir dann doch ein bisschen zu viel Publicity.
Da fand ich es schon besser, als ich mit auf den Wochenmarkt durfte. Meine Güte, war das aufregend, und beim ersten Mal hatte ich auch mächtig Schiss. All die Leute, diese Geräusche und vor allem die vielen Gerüche. Ich war wie auf Droge und völlig fertig! Inzwischen hab ich mich aber dran gewöhnt und finde es total spannend. Hin und wieder, wenn grad keiner guckt, schau ich auch mal nach, was die Leute so in ihrem Korb haben… Herrchen und Frauchen sind – das merkt jeder Hund – total stolz auf mich, und wenn man ihnen sagt, wie süß ich aussehe, dann strahlen sie, als hätten sie mich selbst gestrickt. Ich steh da drüber und gönne ihnen die Freude. Schließlich bin ich ein cleveres Kerlchen und weiß, dass das nur gut fürs Karma ist.
„Hundejahre sind keine Herrchenjahre“, das hab ich schon gelernt. Aber Hundejahre können, wenn man es pfiffig anstellt, absolut erfolgreich sein. Man lernt seine Leute in den Griff bzw. in die Pfoten zu bekommen und kann ihnen auch echt was beibringen. Was mich angeht, gibt es hier also noch jede Menge zu tun.
Ich bleib dran, denn das wird eine ‚hundsige‘ Lebensaufgabe, das schnüffle ich schon ganz deutlich! Wau,wau !!!