Ansichten und Einsichten von Mensch und Hund

Oktober 26, 2020 0 Von Stahlhuth

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Wir: „hundeschwanger“

Hundeschwanger ist anders als richtig schwanger, aber ein Ausnahmezustand ist es allemal. Seit einigen Wochen befinden wir uns nun beide in diesem Zustand, sprich, wir sind in „guter Hoffnung“. Wir erwarten nämlich Sam.

Unser gesamtes Denken kreist um den großen Tag, der unser Leben nachhaltig verändern wird. In Gedanken spielen wir es bereits durch und ertappen uns bei hochtrabenden Plänen und abenteuerlichen Phantasien.

Wir bereiten uns intensiv vor, mentale Schwangerschaftsgymnastik könnte man es auch nennen. Das ganze Haus wird hundefreundlich gestaltet, Treppensicherung und Schutzzäune angebracht, wir überlegen die schönsten Liegeplätze für den Kleinen, studieren Ernährungspläne, kaufen Welpen- Spielzeug, Kuscheltiere und Leckerlies, und anstelle der Apothekenrundschau lesen wir jetzt “Dein Haustier und Du“. Keine Frage, dass die verschiedenen Bücher und Ratgeber über Welpen und Hunde griffbereit im Regal stehen, unmittelbar neben der Weltliteratur.

Manchmal haben wir auch Stimmungsschwankungen und reagieren dann höchst sensibel, wenn es um Hunde- bzw. Welpenrechte geht. Hotels und Gaststätten, die keine Hunde zulassen, kommen auf die rote Liste, ebenso wie Fluggesellschaften, die sich weigern Hunde zu transportieren.

Mittlerweile haben wir auch der Familie und den Freunden die frohe Botschaft mitgeteilt. Man reagierte durchaus unterschiedlich. Allen gemeinsam war allerdings ein ungläubiges Staunen! Dass wir, ausgerechnet wir, die immer so penibel und diszipliniert daherkommen, dieses Wagnis auf uns nehmen und dann noch in diesem Alter. Das will den meisten so gar nicht in den Kopf.

Da gibt es Bedenken, Zweifel und viele gute Ratschläge.  Beim einen oder anderen kann man aber durchaus auch einen gewissen „Gebärneid“ heraushören, wie: „eigentlich habe ich mir auch immer einen Hund gewünscht“, „das war schon seit langem unser Traum“, „wir haben das auch schon vorgehabt“, oder „warum haben wir das eigentlich nie gemacht, wir wollten doch immer“ usw.

Wir selbst sind dem Ziel schon ganz nah. Zuversichtlich und voller Vorfreude warten wir auf den großen Tag. Jetzt ist es nicht mehr lang. Spüren wir „Wehen“?

Intensiv horchen wir in uns hinein. Geben wir zu viele Freiheiten auf? Sind wir gute Hundeeltern? Wird Sam sich bei uns wohlfühlen?

Warum nicht, schließlich haben bereits drei Kinder uns und unsere Erziehung überlebt. Wir kriegen auch einen Welpen groß.

Sam, das vierte Kind, nur dieses Mal mit vier Pfoten!

Wir freuen uns auf ein neues Abenteuer!

 

 

Sam: da liegt was in der Luft

Ich schnüffle, da liegt was in der Luft. Ob es gut ist, weiß ich noch nicht, aber es riecht verdammt nach Veränderung.

Veränderung mag ich nicht so, davon hatte ich in der letzten Zeit mehr als genug. Ich werde dann immer ganz ängstlich, weil man ja nie weiß, ob sich was zum Guten verändert.

Meine Geschwister Jack und Lucy z. B., die sind eines Tages plötzlich verschwunden. Dabei haben wir immer so toll zusammengespielt, auch wenn Lucy mich ab und zu ins Ohr gekniffen hat und Jack immer mehr Milch bei Mama abgezapft hat, so dass für mich kaum noch was da war. Aber nachts, da haben wir uns aneinander gekuschelt und herrlich geschlafen.

Jetzt bin ich allein mit Mama, und wer denkt, dass ich jetzt den Einzelwelpen- Bonus hätte, der irrt. Sie lässt mich nicht mehr trinken und ist überhaupt ganz komisch drauf.

Vor ein paar Woche kamen plötzlich ein paar fremde Menschen hier an. Sie haben mit Jack, Lucy und mir gespielt, aber man merkte gleich, dass sie es nur auf Jack oder Lucy abgesehen hatten. Vielleicht, weil ich mich ganz schnell unter dem Sofa versteckt habe? Egal, man fand mich zwar sehr putzig, aber mehr war dann auch nicht. Etwas später kam ein älteres Ehepaar, die fanden dann plötzlich mich ganz niedlich. Sam oder Sammy haben sie gesäuselt und dachten wohl, damit könnten sie mich unter dem Sofa hervorlocken. Jack wollte noch groß Eindruck schinden und ist rumgesaust wie blöd, und Lucy hat den Mann in den Finger gezwickt. Na, die war gleich aus dem Rennen.  Ich hätte es ja auch bald vermasselt, denn als ich mich endlich unterm Sofa herausgetraut habe, ist mir gleich ein Malheur passiert. Wie peinlich…Trotzdem haben sie mich auf den Arm genommen, und ich glaube, die rochen ganz gut. Der Mann hatte eine tiefe und ruhige Stimme. Er hat mir gleich seinen Finger hingehalten, damit ich daran schnuppern konnte. Ich habe auch nur geschnuppert und ein bisschen geleckt – bin ja nicht so blöd wie Lucy und schnapp gleich zu. Auch bei seiner Frau durfte ich auf den Arm. Sie war ganz verzückt aber mindestens so nervös wie ich. Außerdem hatte sie einen Duft, der mich schier um den Verstand gebracht hat. So etwas habe ich noch nie geschnüffelt, und beinahe hätte ich ihr vor Aufregung auf den Pulli gepieselt. Ging dann gerade nochmal gut!

Jetzt haben sie sich allerdings schon eine Weile nicht mehr blicken lassen. Was soll man davon halten?

Komisch ist aber, dass ich dieser Tage zum Tierarzt musste. Dort habe ich eine blöde Tablette bekommen – schmeckte scheußlich – und eine Spritze. Das gefiel mir noch weniger, und mit Leckerlies waren sie dort auch recht knausrig. Überhaupt, und das macht mich ziemlich stutzig, legen sie hier jetzt ganz großen Wert darauf, dass ich mein Geschäft immer draußen mache. Ich finde es ja auch nicht schön, wenn ich im Haus eine Pfütze mache, oder noch mehr, aber manchmal pressiert es eben, und dann gibt es kein Halten.

Die reden hier auch ständig davon, dass ich bald ausziehen werde, und meine Hundemama, zu der ich gerne flüchten würde, gibt mir ja auch keine Milch mehr. Vielleicht ist sie ja auch ganz froh, wenn sie mich nicht mehr am Fell hat.

Aber was passiert dann mit mir, und wo soll ich hin?

Ich dachte ja, die älteren Leutchen wären an mir interessiert, aber die waren jetzt auch schon eine Weile nicht mehr hier. Dabei würde ich ihren Duft, der mich so berauscht hat, unter einer Million Duftnoten herausschnüffeln!

Also irgendwie ist so ein Welpenleben ganz schön schwer. Man soll soviel lernen und begreifen, soll kapieren, was die Menschen von einem wollen, und tun was sie sagen. Gleichzeitig soll man aber drollig, süß und knuffig sein.

Mir ist das alles zu viel. Ich möchte manchmal nur dösen oder Quatsch machen und rumspielen, z.B. mit einem Schuh, einer Teppichkante oder einer bunten Socke.

Alte Socken mag ich übrigens besonders gern, die riechen so würzig.