Diva, Dorlies und ich
Es gibt Frauen, die sind Diva, so wie andere schüchtern, fleißig, abergläubisch oder dick sind.
Meine Bekannte Dorlies ist Diva und zwar ganzheitlich.
Mit staunendem Interesse höre ich zu, wenn sie mir – und das tut sie sehr gerne – aus ihrem Leben erzählt.
Dorlies hat es nämlich drauf. Sie hat begriffen, worauf es ankommt, und sie weiß, was eine echte Diva ausmacht.
Dorlies inszeniert sich, sie zelebriert sich, ja, sie strahlt etwas aus, was jeden, der ihr entgegen kommt, beiseite treten lässt.
Man hält solchen Leuten ungefragt die Tür auf, lässt ihnen devot den Vortritt und hilft ihnen wie selbstverständlich beim Tragen von mehr als einer Zeitung.
Dorlies ist zum zweiten Mal verheiratet. Ihr Mann heißt Franz und hat nicht unerheblichen Anteil an ihrem Divendasein. Franz vergöttert Dorlies. Er darf sie vergöttern, und huldvoll gewährt sie ihm dafür ihre kostbare Zuneigung.
Durch ihre Erzählungen habe ich einen recht guten Einblick in das Privatleben der beiden, und ich muss schon sagen, manchmal beneide ich Dorlies ein bisschen.
Wie sie es so schafft, daß alle Welt, allen voran Franzl, ihr zu Füßen liegt. Wie sie mit einem Augenaufschlag, einem Seufzer oder einer wegwerfenden Kopfbewegung ganz klar ihre Wünsche formuliert und wie sie mit einer schier unerschütterlichen Selbstverständlichkeit davon ausgeht, diese auch erfüllt zu bekommen.
Unvorstellbar, daß mein Mann auch nur im Ansatz einen ähnlichen Zauber um meine Person machen würde, wie Franz um seine Dorlies.
Wenn Dorlies arbeitet, und das kommt höchstens drei Mal in der Woche für einen halben Tag vor, dann ist klar, dass Franz sie zu Hause mit einem liebevoll selbstgekochten Essen erwartet. Wie er das neben seinem freiberuflichen Vollzeitjob hinbekommt, bleibt eines seiner süßen Geheimnisse. Ebenso rätselhaft wie faszinierend ist die Tatsache, daß er sich höchst fürsorglich um ihre Enkelkinder kümmert, ja sogar die gesamte junge Familie zu gemeinsamen Skiferien einlädt, wobei er bezahlt und wartet, während alle anderen die Pisten unsicher machen.
Dorlies spielt leidenschaftlich und ehrgeizig Bridge, natürlich in einem elitären Club mit handverlesenen Mitgliedern und Franz, der selbst keinen Ahnung davon hat, unterstützt dieses Hobby, wo und wie er nur kann. Er fährt die Damen, besorgt Räumlichkeiten und sorgt für eine gute Spielatmosphäre.
Neulich, so erzählte mir Dorlies unlängst, war sie einen ganzen Tag lang in Hannover zum Shoppen. Entsetzlich anstrengend war das, und fürchterlich viel Geld hat sie dabei ausgegeben. Markenartikel, und auch das weiß Franzl spätestens seit er sie kennt, haben nun mal ihren Preis, und Marke, das muss schon sein. Bassetti Bettwäsche, Prada Hose, Escada Kleid, Gucci Sonnenbrille, Dior Hosenanzug, Geschirr von KPM , da darf man keine Kompromisse machen, auch wenn die Qual der Wahl kräftezehrend und erschöpfend ist. So ist es nur verständlich, daß Dorlies nach getaner Konsumarbeit völlig fertig zu Hause anruft und ihr Kommen ankündigt.
Und was macht der gute Franz? Wie empfängt er sie, ihre unzähligen Tüten und Taschen und seine abgenutzte Kreditkarte? Doch nicht etwa mit Fragen und Vorhaltungen, nein, weit gefehlt:
Franz hat 25 Duftkerzen angezündet, für seine erschöpfte Dorlies ein heißes Bad eingelassen und die Handtücher bereits vorgewärmt.
Im Wohnzimmer brennt schon der Kamin, auf dem Tisch wartet ein schönes Glas Wein, und mit Dr. Scholz Fußbalsam massiert er ihre Füße, bevor er sie behutsam in die streichelweichen Angorasöckchen packt. Man möchte schreien, wenn man solche Schilderungen hört. Aber mal ehrlich, welche Frau wünscht sich bei derartigen Erzählungen nicht wenigstens hin und wieder mal ein bisschen Dorlies zu sein.
Ich schon, und einzig aus diesem Grund erzähle ich meinem Mann ab und zu und nicht ganz uneigennützig von Franz und seinen hingebungsvollen Liebesdiensten.
Mit mäßigem Erfolg, verständlicherweise. Welcher Mann hört schon gerne etwas über die Vorzüge eines Artgenossen ? Das kratzt am Ego und stört die behagliche Selbstgefälligkeit.
In diesem Punkt unterscheiden sich Männer und Frauen ja relativ wenig. Auch wir mögen es ganz und gar nicht, zu deutlich auf die
Vorzüge und Qualitäten irgendwelcher Superweiber hingewiesen zu werden. Und so sehe ich schon rot, wenn man mich nur zufällig und ohne erkennbaren Zusammenhang in einem Satz mit unserer derzeitigen Verteidigungsministerin unterbringt.
Trotzdem, kleine, regelmäßige, behutsam und subtil angebrachte Bemerkungen führen, wie es scheint, doch irgendwann zumindest zu kleinen Teilerfolgen.
So stelle ich seit geraumer Zeit fest, daß offensichtlich auch in meinem Mann ein kleiner Franzl schlummert.
Jeden Morgen nämlich, wenn er mir eine Tasse dampfenden Tees ins Badezimmer bringt und dabei süßlich säuselt :“Guten Morgen mein Schatz, hier kommt Dein Franzl mit einer Tasse Tee für Dich.“
Dann schau ich ihn huldvoll und verzückt an und fühle mich in diesem Moment wie eine richtige Diva. Mal ehrlich, kann es einen besseren Start in den Tag geben ?