Ansichten und Einsichten von Mensch und Hund (5)
WIR: „Nichts ohne Sam“
Ein Leben ohne Hund? Wir wissen mittlerweile gar nicht mehr wie das ist, so sehr haben wir uns schon an unseren vierbeinigen Hausgenossen gewöhnt.
Wir denken hundebezogen, handeln hundegerecht, planen hundetaugliche Unternehmungen und haben ganz selbstverständlich unseren Alltag den Bedürfnissen von Sammy angepasst. Dass das Leben jemals anders war – kaum vorstellbar!
Doch was tun, wenn der alljährliche Sommerurlaub unweigerlich näher rückt und Sammy da nicht mitkommen kann?
Ich gestehe kurzfristig auch diese über dreißigjährige Tradition in Frage gestellt zu haben. Schier unmöglich erschien es mir zwei Wochen ohne Sammy im fernen Österreich zu verbringen. Das fühlte sich an wie ein kalter Hundeentzug. Wollten wir das wirklich ?
Doch da kam das rettende Angebot aus Berlin von unserer Tochter gerade recht. Sie lud Sammy zu einem „happy dog all inclusive premium package“ für genau diese Zeit ein. Wer kann da schon nein sagen?
Zum Glück waren es bis zum geplanten Urlaub noch ein paar Wochen hin, denn so ein Unterfangen muss ja schließlich genau geplant und vorbereitet werden. Von vornherein stand fest, bevor Sam für längere Zeit in die Großstadt kann, braucht er dort unbedingt eine Eingewöhnungsphase. So etwas bekommt ja schließlich jedes Kleinkind heutzutage, bevor man es in den Kindergarten schickt. Dann hat unser Sammy allemal ein Anrecht darauf. Drei Tage setzte ich dafür an, danach wieder heimisches Umfeld, um die Eindrücke zu verarbeiten. Läuft das gut, kann man anschließend an einen längeren Aufenthalt dort denken.
Gesagt, getan. Der kleine Sammy in der großen Stadt. Ein Abenteuer für alle Beteiligten. Autos, Busse, Bahnen, Motorräder, Martinshorn, Großstadtlärm, viele, viele Menschen, Brücken, Wasser, riesige Häuser, mehrspurige Straßen…
Damit muss man erst einmal klarkommen. Aber unser Sam wäre ja nicht Sam, wenn er das nicht Pfote für Pfote gewuppt hätte. Ein bisschen Gewicht hat er dabei schon verloren, aber mindestens in gleichem Maße an Courage zugelegt.
Wir konnten also beruhigt in den Urlaub starten, der Hund war gebrieft und bezog mit seinem ganzen Equipment sein Luxusferienresort in Berlin.
Hundeverwaist im fernen Österreich wurden wir nun täglich mit aktuellen Bildern versorgt. Sam chillt auf dem Balkon in der Sonne, Sam planscht am Badestrand, Sam schläft friedlich auf seinem Kissen, Sam spielt mit einem neuen Knochen, Sam avanciert zum Büroliebling und genießt allgemeine Aufmerksamkeit, Sam bekommt Futter mit allen Raffinessen, Hund flaniert an neuem Brustgeschirr durch den Tiergarten usw.
Natürlich waren wir froh, dass es unserem Liebling so gut ging, aber bald schon fragen wir uns auch bang: Will der überhaupt wieder zu uns zurück, oder hat er sich inzwischen gar an die Großstadt mit all den Annehmlichkeiten gewöhnt???? Da machte sich doch mitten im Urlaub eine deutlich zunehmende Verunsicherung breit.
Die Sorge war ziemlich unbegründet, wie sich bei unserer Rückkehr zeigte. Einen wahren, nicht enden wollenden Freudentanz hat unser Hund aufgeführt. Wir waren echt gerührt, und unser Hundehalter-Selbstbewusstsein erwachte wieder zu neuem Leben.
Nur wenige Wochen später wartete dann auch schon das nächste Event. Sam wurde ein Jahr alt, und dem Ereignis angemessen verbrachten wir einige Tage in einem schönen, hundefreundlichen Hotel an der Müritz. „Hunde sind im ganzen Haus willkommen, ausgenommen sind die Restaurants“ hieß es auf der Webseite. Das sollte kein Problem sein, dachten wir naiv, aber hatten die Rechnung ohne Sammy gemacht. Der fand es nämlich unerhört, dass wir ihn, zumal an seinem Geburtstag, allein auf dem Zimmer gelassen haben und machte ordentlich Radau. So ausdauernd und so intensiv bis wir ihn schließlich doch ins Restaurant holen durften. Dort legte er sich brav und profitlich zu unseren Füßen und mimte den Schoßhund. Clever ist er, das muss man ihm lassen.
Spannend waren auch unsere Tage an der Ostsee. Sammy lernte das Meer und die Wellen kennen und musste erfahren, dass Möwen irgendwie schneller sind als er, und wenn es eng wird einfach mal eben abheben und davonfliegen. Das passte ihm so gar nicht.
Als Entschädigung durfte er dort aber zum ersten Mal ganz ohne Leine laufen und seine tierische Freiheit genießen. Unbeschwert und ausgelassen tobte er über die Mole, als würde die ganze Welt ihm gehören. Wir dagegen waren deutlich weniger entspannt, stets das Umfeld im Blick und die Leine im Anschlag. Aber es lief von Tag zu Tag besser, wir wurden mutiger und ruhiger und waren ziemlich stolz wie, und dass der Rückruf einigermaßen klappte. Die Menge der dafür rausgehauenen Leckerlis sollte man allerding langfristig ein bisschen reduzieren.
Fazit aus all diesen Urlaubs- und Reiseerfahrungen:
*ohne Sam sind wir nicht komplett
*mit Sam ist das Leben „tierisch“ aufregend und schön.
*Restauranttauglich ist Sammy wie kein anderer. Still und friedlich liegt er
unterm Tisch und beobachtet aufmerksam, was passiert. Eigentlich eine
Bereicherung für jedes Restaurant
*Eingesperrt sein in einem fremden Hotelzimmer; na ja wer will das schon?
Aber auch für Sammy gilt: das Hundeleben ist kein Wunschkonzert, hin und wieder gibt es auch da Durststrecken, die es zu überstehen gilt. Hat man das erst geschafft, hängt auch der Hundehimmel bald wieder voller Leckerlis.
Wir werden versuchen ihm das zu vermitteln. Und weil Sam ja so ein schlauer Hund ist, wird er das schon begreifen.
Falls nicht, so hat man uns beigebracht, liegt es am Halter, nie am Hund… eine These, an der wir immer mal wieder zu knapsen haben.
SAM: „Große weite Hundewelt“
Gerade hab ich es mir mal wieder so richtig gemütlich gemacht. Ich liege unter Herrchens Schreibtisch, hab den Kopf auf seinem Fuß und inhaliere den tollen Duft seiner Antihornhautsalbe. Da könnte ich glatt zum Schnüffler werden, denn das bringt mich dann immer in so eine ganz besondere Stimmung, und ich denk über mein Leben nach.
Seit einem Jahr wohne ich jetzt hier bei Herrchen und Frauchen, und mittlerweile sind wir ein ganz gut eingespieltes Team. Die beiden haben ordentlich Fortschritte gemacht, ne Menge gelernt, und inzwischen verstehen sie auch schon immer besser wie ich so ticke. Klar gibt es immer wieder Tage, da wollen sie unbedingt ihren Kopf durchsetzen, aber da muss man als Hund eben konsequent bleiben, sonst hat man verloren.
An meinem ersten Geburtstag war so eine Situation. Also erst wurde toll gefeiert. Ich habe viele Geschenke bekommen, Kuscheltiere, Leckerlis und ein Halstuch, wo „birthday boy“ draufstand, und dann haben wir noch auf einer großen Wiese alle zusammen gespielt. Das war super! Aber dann. Wir waren ja nicht zu Hause sondern in einem Hotel, keine Ahnung wo, nette Leute, guter Duft, eigentlich alles ganz nice…Und plötzlich, ich wollte gerade ein Schläfchen machen, da hübschen die sich so richtig auf und gehen. Ja echt, die hauen einfach ab und lassen mich allein in dieser Butze. Da war ich stinkig! Natürlich hatte ich auch Schiss. Wer weiß, wer da rein kann, und draußen vor der Tür liefen ja dauernd Leute rum. Erst hab ich noch einen Augenblick gewartet, ob sie vielleicht zurückkommen, und als da nichts passierte, hab ich so richtig Randale gemacht. Herrchen kam vorbei und wollte mich mit guten Worten und Leckerlis ruhigstellen. Pah, ich lass mich doch nicht bestechen! Also Randale nächste Stufe gezündet, mit allem Drum und Dran, bellen, jaulen, springen, toben. Wie gesagt, da muss man konsequent sein. Und siehe da, ich war schon ein bisschen heiser gejault, als ich endlich raus und mit runter ins Restaurant durfte. Alle haben mich angeschaut, aber ich bin hocherhobenen Hauptes zum Tisch marschiert, hab mich drunter gelegt und zugesehen, dass mindestens eine Pfote immer Kontakt zu einem Schuh hatte, damit die bloß nicht wieder abhauen können.
Abgehauen sind die beiden ja vorher schon mal, aber das war nicht so schlimm, denn da war ich bei meiner Tante und wurde ordentlich verwöhnt. Das war überhaupt so eine irre Geschichte. Eines Tages fuhr mein Frauchen mit mir ganz lange im Auto in eine riesig große Stadt, da wo Tante wohnt. Ich durfte durch ihre ganze Wohnung schnüffeln, den Balkon anschauen, und wir haben auch meine andere Tante besucht. Dann waren wir in einem riesigen Park – herrje war das aufregend. Ich hab echt Dünnschiss bekommen vor lauter Angst. So viel Wasser, so viele große und laute Autos, schrecklich hohe Brücken und Gerüche, dass ich schon fast `nen Asthmaanfall bekam. Nach zwei, drei Tagen wurde es etwas besser, vor allem nachdem ich gesehen habe, dass auch andere Hunde dort überleben und ganz munter sind. Frauchen ist dann wieder nach Hause gefahren und ich bin bei Tantchen geblieben und hab mich verwöhnen lassen. Das war geil!
Ein paar Wochen später passierte das Gleiche wieder. Dieses Mal brachten mich Herrchen und Frauchen zusammen in die große Stadt und waren dann weg und zwar ganz schön lange. Das war jetzt aber nicht mehr so schlimm, denn erstens kannte ich das Getümmel und Tantes Wohnung ja schon, und zweitens hatte ich es da richtig gut. So viel passiert zu Hause nie! Ich war mit beiden Tanten an einem See, hab im Sand gespielt und mir sogar die Pfoten ein bisschen nass gemacht, dann durfte ich an der langen Schleppleine in dem großen Park spielen, hab jeden Tag mein Lieblingsessen bekommen, neues Spielzeug sowieso und, was der Hammer war, ich durfte mit Tante ins Büro. Hundehimmel war das ein Fest! Der nette Typ, der dort immer kocht, hat mir Wurst geschenkt, und der Boss kam immer mal vorbei um zu schauen wie`s mir so geht. So ein Bürojob könnte mir auch gefallen.
Irgendwann tauchten dann Herrchen und Frauchen wieder auf und, klar hab ich mich gefreut die Alten wieder zu sehen. Ich glaube, die haben mich auch vermisst, jedenfalls guckte Frauchen ganz wässrig als sie mich sah. Dennoch bin ich so ein wenig Großstadt- und Büroathmosphäre hin und wieder nicht abgeneigt, wobei eine nette Meeresbrise auch nicht zu verachten ist.
Das kam gar nicht lange danach und war echt der Hammer!
Ich habs ja eigentlich nicht so mit dem Wasser, seitdem ich dieses Badewannentrauma erlitten habe, aber das dort war dann doch irgendwie ganz anders und total spannend. Da gab es Sand, ganz viel Sand und ein großes Wasser, das mit mir gespielt hat. Immer wenn ich danach schnappen wollte, ist es zurückgegangen und dann kams ganz schnell wieder und hat mich nass gespritzt. Das war soooo lustig!
Toll war auch, dass ich dort mal ganz ohne Leine sausen durfte. Ich glaub, die Alten haben ziemlich Schiss gehabt, dass ich ausbüxe, vor allem, wenn ich unbedingt eins von diesen großen weißen Federviechern fangen wollte. Diese Mistkerle! Immer wenn ich schon richtig dicht dran war, sind die einfach abgehoben und ich konnte nur blöd hinterher gucken. Aber egal, ich hab das jeden Tag wieder versucht. So schnell geb ich nicht auf, und wenn wir mal wieder dorthin fahren, übe ich weiter.
Ach, und dann durfte ich, als wir wieder zu Hause waren, für einen Tag in eine Hundepension. Heiliger Köter, war da was los! So viele verschiedene Artgenossen auf einem Haufen gabs ja noch nicht mal in der Hundeschule.
Klar hatte ich Schiss, aber anmerken hab ich mir das nicht lassen. Bin da erstmal ganz forsch rangegangen, was die älteren Fellnasen gar nicht so toll fanden. Die glaubten nämlich, sie seien was Besseres, bloß weil sie schon älter sind und länger da waren. Auch die Hundetante dort hat mir ne Ansage gemacht, aber da steh ich ja drüber und pell mir ein Leckerli drauf. Irgendwann haben sie`s kapiert und mich schlussendlich mitspielen lassen. Bei der Pfote meiner Großmutter, war das eine Gaudi! Ist halt doch etwas anders, so mit den Artgenossen rumzutollen als mit den Zweibeinern. Ich hoffe, ich darf da irgendwann mal wieder hin.
All das geht mir so durch den Kopf, wenn ich leicht benebelt von der Antihornhautsalbe da unter Herrchens Schreibtisch liege, und manchmal fallen mir dann auch die Augen zu und ich mach ein Nickerchen…natürlich nur so lange, bis ich irgendwas höre oder schnüffle, dann bin ich augenblicklich wieder voll da, denn wer weiß, welches Abenteuer jetzt wartet?