Valentinstag
Nicht jeder Morgen trieft noch vor Leidenschaft und Glückseligkeit! Erst recht nicht nach mehr als zwanzig Ehejahren, da brauchen wir uns nichts vorzumachen.
Wo früher noch der morgendliche Wecker das Startsignal für einen erotischen Einstieg in den Tag war, folgt heute dem hartnäckigen Summen ein unwilliges Brummen und anschließend die demotivierende Frage:“Willst du zuerst duschen oder Frühstück machen?“ Manchmal wird auch gar nicht gefragt, da schafft einer gleich Tatsachen, indem er sich schwerfällig aus dem Bett quält und im Rausgehen verkündet: „Ich geh duschen, machst du Frühstück.“ Das ist dann weniger eine Frage als eine Feststellung.
In solchen Situationen lasse ich mich sehnsüchtig in mein Kissen zurückfallen und schwelge in einer von Heißhunger und Begierde gefluteteten Vergangenheit. Wer dachte da an so banale Dinge wie Frühstück und Dusche? Na ja, Dusche vielleicht schon – ‚danach’ – aber dann auf jeden Fall zusammen… „ACH!!!“ Mein ganzes Schlafzimmer ist erfüllt von einem einzigen tiefen Seufzer. Das waren noch Zeiten…
Vor mir seh ich das rote Plüschherz mit ‚I love you’ Aufschrift, dass seit Jahren gänzlich unbeachtet an der Stuhllehne hängt, meist halb verdeckt von abgelegter Kleidung. Zu irgendeinem Hochzeitstag habe ich damit einmal das Schlafzimmer dekoriert und zusammen mit einigen anderen Accessoires eine wahre Lusthöhle daraus gemacht. Damals hat das Plüschherz durchaus seine Funktion erfüllt, aber nun hängt es hier ziemlich trostlos und vergessen herum. Ein weiterer tiefer Seufzer presst sich aus meiner Kehle. Nun beschlagen schon fast die Scheiben, so wehmutgeschwängert ist die Luft im Schlafzimmer inzwischen. Das ist kein Zustand. Hier muss sich etwas ändern, zumal, wie mir ein Blick auf den Kalender verrät, heute auch noch Valentins-tag ist. Valentinstag!!! Der Tag für Verliebte, wie es so schön in der Werbung immer heißt. Da muss eine reife Frau mit ungestillter Sehnsucht nach Romantik und Zärtlichkeit die Initiative ergreifen und handeln. Natürlich ist mein so vernünftiger und emotional eher praktisch veranlagter Mann prinzipiell gegen solchen kommerziellen Quatsch, aber als Frau, im tapferen Kampf gegen die eheliche Routine, muss ich mich darüber hinweg setzen. Wenn es um wichtige Dinge im Eheleben geht, kann man eben nicht auf alle Befindlich-keiten Rücksicht nehmen. Mal wieder fällt mir meine kluge Groß-mutter ein, die schon damals wußte: Nur wenn ein Mann was Ordentliches im Magen hat, kann man was von ihm erwarten.
Also doch Frühstück? Aber eines, das valentintauglich ist und uns den Alltag für eine Weile vergessen lässt. Vielleicht ist die Zeit der roten Plüschherzen ja wirklich vorbei, und nun ist eher was herzhaftes angesagt? Wie wäre es mit einem Spiegelei in Herzform, knusprig in der Pfanne gebraten? Dazu ein Gläschen Sekt und ein paar Rosenblätter auf der Tischdecke. Irgendwo habe ich auch noch so ein sexy Negligee samt passendem Mantel, ein Hauch aus echter Seide, die Verführung schlechthin…
Das muss dann aber auch reichen, man will ja nicht gleich alle Munition verballern.
Nun, ich bereite alles sehr sorgfältig vor. Der Tisch ist gedeckt, Sekt perlt im Glas, die Rosenblätter sind arrangiert, zärtliche Musik erfüllt den Raum wie ein akustisches Parfum, und die Spiegeleiherzen in der Pfanne sehen knusprig ihrer Vernichtung entgegen. Oben höre ich die Badezimmertür, und kurze Zeit später betritt mein frisch geduschter Göttergatte die Bühne.
Ein bißchen irritiert scheint er schon, aber er weiß es ( leider) auch gut zu verbergen. Das Einzige, was über seine Lippen kommt, ist: „Oh, heute Sektfrühstück! Gibts was zu feiern?“ Ich wage es nicht, das Wort Valentinstag auch nur in den Mund zu nehmen, und so sage ich nur: „Ich dachte halt, wir sollten es uns mal wieder so richtig nett machen – wie früher eben.“
Jetzt fällt sein Blick auf die herzigen Spiegeleier auf seinem Teller.
„Wo gabs denn diesen Kitsch? Als ob ein Ei in dieser Form anders schmecken würde als sonst…“ Verständnislos schüttelt er den Kopf, während ich mit aufsteigender Verzweiflung meine Kaffeetasse umklammere. Dann schaut er über den ganzen Tisch, lächelt milde und fährt ungerührt fort: „Ist es nicht schön mein Schatz, dass wir all diesen Schnick-Schnack eigentlich gar nicht mehr brauchen?“
Ich hole ein paar Mal tief Luft, trinke meinen Sekt aus und denke nur:
‚Valentinstag im Wandel der Zeiten…’
…und eigentlich wäre mein dicker alter Frotteebademantel auch viel wärmer und gemütlicher als dieser dünne Seidenfummel hier…
schööööööön! Einfach erfrischend und herrlich!