Gewitter

Juli 23, 2015 1 Von Stahlhuth

 

Es ist so einer dieser typischen Tage am See. Die Luft flimmert in der Hitze, das Wasser schlägt in trägen kleinen Wellen an den Steg, und selbst die Libellen scheinen ihre Lust am Seerosenteich verloren zu haben.
Ich versuche der um sich greifenden Trägheit zu entgehen und will eine Runde mit dem Boot über den See paddeln. Während ich mir noch Sonnenhut, Brille und Paddel zurecht lege, schaue ich zum Himmel.
Auf der anderen Seite des Sees schiebt sich wie aus dem Nichts eine riesige dunkle Wolke hinter den Bergen hervor. Wie ein großes schwarzes Ungeheuer legt sich ihr Schatten plötzlich auf See und Ufer und löst eine erwartungsvolle Ruhe aus.
Dann plötzlich ohne Vorwarnung bläst der Sturm los, fegt die Handtücher von den Liegen und wirft die ersten Sonnenschirme um. Als ob auch sie von einem kräftigen Windstoß gepackt würden, verlassen die Leute ihre Liegen und den kleinen Badestrand und eilen hinauf zum Hotel in die sichere Umgebung ihrer Zimmer.
Es vergehen nur wenige Minuten, ehe die Liegewiese menschenleer und der Himmel voll dunkler Wolken ist. Schon beginnt es in der Ferne zu donnern. Die Wasserschutzpolizei fährt über den See und vertreibt die letzten Boote und Luftmatratzen, während der Bademeister Sonnenschirme, Handtücher, Schwimmflügel und zurückgelassenes „Strandgut“ rettet.
Taghell krachen jetzt die Blitze aus dem dunklen Wolkengebirge, hinter dem die eigentlichen Berge völlig verschwunden sind. Urplötzlich beginnt es zu regnen. Dicke Tropfen zuerst, die wie gefüllte Wasserkugeln auf der Erde zerspringen. Immer mehr kommen davon, und immer schneller stürzen sie aus den Wolken. Schon bald schüttet es dermaßen, dass sich Abflüsse und Dachrinnen mächtig verschlucken, ehe sie resigniert aufgeben und die ganze Flut nur noch über sich hinweg laufen lassen. Allein der See liegt geduldig da und nimmt auf, was von oben mit solcher Wucht auf ihn niedergeht.
Dann, als hätten die Wolken schlagartig ihre Lust verloren, hört es auf. Eine Zeitlang tropft es noch von den Bäumen, und die Gullys versuchen nachzuholen, was sie vorher nicht geschafft haben. Kleine Sturzbäche werden wieder zu Rinnsalen und ziehen sich in ihre Furchen zurück, und die Berge trauen sich vorsichtig hinter der immer dünner werdenden Wolkenwand hervor. Es dauert nicht lange, schon hat die Sonne ein Loch durch die Wolken gebrannt. Man hat den Eindruck, die Natur ist damit beschäftigt sich abzutrocknen.
Die ersten Mutigen sind bereits wieder auf dem See, Sonnenschirme sprießen wie Pilze aus dem Boden, und eine erneute Völkerwanderung – diesmal vom Hotel hinunter zum See – setzt ein.
Es ist gerade so, als wolle die Natur sagen:
„Wir bitten vielmals um Entschuldigung für diese kurze Unterbrechung!“